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Frankfurter Neue Presse vom 04.03.2008  -  Immer Krieg, niemals Frieden


Deutsches Ärzteblatt vom 26. Oktober 2007 - In Schönheit gestorben - Selbstmatt unseres Schachfreundes Enrico Marchio


 

 

 

 

Frankfurter Neue Presse vom 04.03.2008

 

Immer Krieg, niemals Frieden

Von Georgia Lori

 

 

 

 

 

 

   Sitzt hier vielleicht irgendwo der Kasparov von morgen?

   Konzentration ist während des Schachspiels im Brendelsaal von Schloss Büdesheim gefragt.  Foto: Georgia Lori

 

 

 

 

 

 

Schöneck. Manchmal kann auch die Stille laut sein. Dann, wenn sie unaufhörlich im eigenen Kopf hämmert. Schachspieler wissen davon zu berichten. Im Extremfall dauert diese Leere bis zu sechs Stunden. „Es gibt nur eine Art Schach zu spielen. Die, dass beide Mannschaften ihre Zeit voll ausnutzen“, sagt Thomas Brondio, Schiedsrichter vom Schachclub Bad Orb. Brondio weiß, dass es sehr viel Konzentration und Kondition von den Spielern während eines Rundenkampfes bedarf, um diesen durchzuhalten. Wenn zwei Mannschaften, wie jüngst die Schachfreunde Schöneck gegen den Schachclub Leipzig-Gohlis in der zweiten Bundesliga kämpfen, gleicht dies einer soziologischen Studie.

Sich an den Spieltischen in starrer Haltung gegenüber sitzend, den Zeige- und Mittelfinger auf die Lippen gepresst oder die Hand unter das Kinn gestützt, vermitteln die Spieler ein Bild völliger Ausgeglichenheit. Nicht zu erkennen ist, dass die Hochleistungsmaschine Gehirn in diesen Momenten fieberhaft Sinneseindrücke verarbeitet, die Gedanken Purzelbäume schlagen. Wenn die Bretter freigegeben werden, tickt die Zeit wie eine Bombe, im Kampf um die Partien. „Jeder Spieler hat für seine ersten 40 Züge zwei Stunden Zeit. Pro Zug drei Minuten. Pro Spieler kann es eine Stunde Verlängerung geben“, erklärt Brondio und blickt in die Runde. 16 Spieler, acht pro Mannschaft, haben an den Tischen Platz genommen. Wichtigstes Utensil neben Schachbrett und den 16 weißen und schwarzen Steinen, ist die Schachuhr. Wenn ein Spieler am Zug ist, läuft seine Uhr. Hat er gezogen, stellt er die eigene Uhr ab und aktiviert die des Gegners. Dann ist dieser am Zug.

Vorausschauendes Denken und das Hineinversetzen in die Psyche des Gegners sind wichtige Attribute, über die ein Schachspieler verfügen sollte. Kai-Christian Meyer von den Schachfreunden Schöneck, entwickelte schon als Kind eine Vorliebe für das Brett mit den 64 quadratischen Feldern. Sein Opa brachte ihm das Schachspiel bei. Mit sechs Jahren wurde er Vereinsmitglied und 1999 Deutscher Jugendmeister in Oberhof / Thüringen. Als Zehnjähriger spielte er bei der Weltmeisterschaft in Spanien mit. Er ist einer von vielen exzellenten Spielern der Schachfreunde Schöneck. Der 1969 gegründete Verein trat bereits 1970 dem Hessischen Schachverband bei. Geleitet wird er von Uschi Timpel, die so mit dem Vorurteil, dass Schach eine reine Männerdomäne ist, gründlich aufräumt.

Die Vereinschronik ist eine Erfolgsstory: 1983 wurden Horst Alber, Achim Müller und Klaus Timpel mit der Uni Frankfurt Deutsche Hochschulmannschaftsmeister. 1985 wurde die A-Jugend Hessischer Mannschafts-Meister. Ein Jahr später wird der Aufstieg in die Oberliga, die höchste hessische Spielklasse gefeiert. 1987 wurde KARL, die Vereinszeitung der Schachfreunde, als beste hessische Vereinszeitung ausgezeichnet. Heute ist sie als Schachjournal am Kiosk erhältlich. Im gleichen Jahr feierte Nicol Zahn den Titel als Hessische Damenmeisterin und Mitglied des Deutschen Kaders. Sie spielt heute in der zweiten Bundesliga der Damen. Der Aufstieg der ersten Mannschaft in die zweite Bundesliga gelang erstmals 1990 und war auch 1992 und 2005 gesichert. Viele Titel als Hessenmeister, Hessische Schnellschachmeister oder Blitz-Hessenmeister können die Schachfreunde verbuchen. 2007 erreichte die erste Mannschaft Platz fünf in der zweiten Bundesliga. Die zweite Mannschaft stieg in die Oberliga auf. Sie spielt nun um den Aufstieg in die zweite Bundesliga.

 

 

 

 

 

 

NACH OBEN

 

 

 

 

Deutsches Ärzteblatt vom 26. Oktober 2007

 

In Schönheit gestorben

Von Dr. med. Helmut Pfleger

 

 

Selbstmatt unseres Schachfreundes

Enrico Marchio

 

 

 

Das Motiv des Schachspiels als Spiel mit dem Tod reicht von seinen Anfängen bis in unsere Tage und findet seinen Niederschlag in zahlreichen Bildern, Gedichten, aber sogar den Schachfiguren selbst, wenn nach der Pestepidemie von 1690 in einem Spiel aus dem Schwäbischen die Lebenden gegen die Toten antreten. Manch einer wird sich auch des Films „Das siebente Siegel“ von lngmar Bergman erinnern, in dem ein heimkehrender Kreuzfahrerritter mit dem Tod um sein Leben spielt.
Gleichzeitig ist der Tod aber der große Gleichmacher, der alle unterschiedslos, ähnlich wie Schachfiguren, in die Kiste wirft. Der mittelalterliche Prediger am Straßburger Dom, Johann Geiler von Kaisersberg, der gegen die Spielleidenschaft wetterte, aber gleichzeitig wie manch anderer seine Botschaften mit Schachmetaphern würzte, verglich das Figurenkästchen gerne mit dem Beinhaus, in dem die Knochen der Toten durcheinander-gewürfelt lägen, ohne dass jemand erkennen könne, ob sie früher einem Bauern oder König gehörten. „Der Tod sagt allen Menschen Schach und wirft sie den Würmern zum Fraße vor“, mahnte Heinrich von Neustadt. Und im „Lübecker Totentanz“ klagt der König:
„Steckt denn des Todes Faust auch Königen ihr Ziel? So gleicht das Regiment dem Schach- und Königsspiel. Mein Scepter streckte sich vom Süden bis zum Norden, Nun bin ich durch den Tod besetzt und Schachmatt worden.“
Selbst Schopenhauer, für den das Schachspiel alle anderen Spiele so sehr wie der Chimborasso einen Misthaufen überragte, diente der Vergleich des Lebens mit dem Schachspiel zur Annahme eines unabänderlichen Schicksals. Das Leben ist eine „missliche Sache“, man spielt im Angesicht des je individuellen Todes ein aussichtsloses Spiel und versucht, es sich in der schlechtesten aller Welten so halbwegs einzurichten.

 

 

 

Doch zumindest beim Schach erstehen die Figuren aus dem Kasten immer wieder zu neuem Spiel, manch einer hofft darauf auch beim eigenen Leben. Gelegentlich aber, im Leben wie im Schachspiel, webt der Spieler, absichtlich oder nicht, sein eigenes Mattnetz, ein „Selbstmatt“.
In der Spitzenpaarung der 6. Runde vom letzten Ärzteturnier zwischen Dr. med. Enrico Marchio und Dr. med. Matthias Birke stand Dr. Marchio als Weißer mit seinen zwei Mehrbauern auf Gewinn. Doch mit zwei durchaus plausiblen Zügen „gelang“ es ihm, ein Selbstmatt zu basteln, das heißt, nach zwei Zügen war sein weißer König plötzlich mitten auf dem Brett matt. Quasi ein „Kunstmatt“. Übrigens ist dies die theoretisch einzige Möglichkeit, um die Mattschlinge um den weißen König in nur zwei Zügen zuziehen zulassen. Da trifft der Schüttelreim von Dr med. Helmut Schröder zu: „Auch verlorene Partien können dir noch Lust machen, vielleicht ist die Stellung kurios und du musst lachen.“ Also, Weiß zieht und wird im 2. Zug matt gesetzt — wie geht‘s?

 

 

Auflösung weiter unten.

 

 

 

NACH OBEN

 

 

 

...Mit dem Auftaktschach 1. De5+! wurde die Dame zentralisiert, was im Damenendspiel oft ratsam ist, hier aber dummerweise dem eigenen König das Fluchtfeld e5 nimmt. Nach 1. . . .Kh7 deckte Weiß seinen angegriffenen Bauern f2 mit der Vorwärtsverteidigung 2. f3??, was die weiße Bauernkette zur harmonischen „Badewannenformation“ (e4-f3-g3-h4) komplettierte, allerdings seinem König auch noch das Fluchtfeld f3 raubte (nahezu jeder andere Zug hätte immer noch gewonnen), sodass dieser nach 2. . . .Dcl +! plötzlich mitten auf dem Brett matt war. „Eine schöne Leich‘, sagt man in Bayern.

 

 

 

 

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